Wald

Raffinierte Pflanzen. Sind sie tatsächlich intelligent?

Die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung geben interessante Einblicke in das Leben der Pflanzen. Das junge Forschungsfeld der Pflanzenneurobiologie beschäftigt sich unter anderem mit Signalübertragungssystemen. So finden die Wissenschaftler immer mehr Beweise dafür, dass Pflanzen in einem ständigen Austausch miteinander stehen. Sie lernen und können das Erlernte speichern. Sie können miteinander kommunizieren. Stefano Mancuso, Professor für Pflanzenkunde in Florenz, hält Pflanzen gar für „intelligent“. Er ist Direktor des Laboratorio Internazionale di Neurobiologia Vegetale und gilt international als einer der führenden Pflanzenforscher.

Die Brombeere schützt sich mit ihren spitzen Stacheln gegen gefräßige Feinde

„Wir wissen, dass Pflanzen untereinander hervorragend kommunizieren und Informationen weitergeben können.“

Stefano Mancuso, Professor für Pflanzenkunde.

Derzeit werden eine Reihe Forschungsfragen in der Pflanzenneurobiologie diskutiert. Abgesehen von Pflanzenintelligenz gibt es auch wachsende Forschungserkenntnisse zur Pflanzenkommunikation. Botanische Hinweise legen nahe, dass Pflanzen durch eine Reihe verschiedener Kanäle kommunizieren. Sie tun dies mit Hilfe von Geräuschen, Gerüchen, Chemikalien, Magnetismus, Elektrizität und Licht. Und zwar sowohl über ihre Blätter als auch über ihre Wurzeln. Das ist nicht neu. Bereits der grosse Evolutionsforscher Charles Darwin beschrieb, dass sich die Wurzelspitzen der Pflanzen verhielten, als hätten sie ein Gehirn.

Ist eine Pflanze also intelligent?

Um zu überleben braucht eine Pflanze lediglich Wasser, Mineralsalze und Kohlendioxid aus der Luft sowie Licht. Das bedeutet, dass sie nicht von organischen, sondern von anorganischen Stoffen lebt. Mit Hilfe der Photosynthese wandeln sie anorganische Stoffe in organische Stoffe um. Natürlich gibt es hier auch einige Ausnahmen. Darunter zählen die fleischfressenden Pflanzen, wie zum Beispiel die Venusfliegenfalle (Dionaea muscipula). Auch Voll- und Halbschmarotzer zählen darunter, aber das würde an dieser Stelle zu weit führen. Fakt ist: Die meisten Pflanzen ernähren sich tatsächlich von Licht, Luft und Liebe.

Und dennoch kennt die Forschung heute mindestens 17 Umweltfaktoren, die Pflanzen ständig verarbeiten: Schwerkraft, Licht, Feuchtigkeit, Temperatur, Nährstoffe und Duftstoffe sind einige unter ihnen. Pflanzen „wissen“, ob ihre Wurzeln die Wurzeln von Verwandten berühren oder die anderer Arten. In jüngsten Experimenten entdeckte Dr. Monica Gagliano, die leitende Forscherin am Zentrum für Evolutionsbiologie der University of Western Australia, dass die Wurzeln von Maiskeimlingen Klickgeräusche erzeugen. Sie kommunizieren also miteinander. Zudem reagieren sie auch auf Töne ähnlicher Frequenz.

Die Intelligenz von Pflanzen

Intelligenz von lateinisch intellegere, bedeutet so viel wie „erkennen“, „einsehen“; „verstehen“ und ist in der Psychologie ein Sammelbegriff für die kognitive bzw. geistige Leistungsfähigkeit (Wikipedia)

Pflanzen kommunizieren. Lockstoffe & Elektrische Felder

Betrachtet man den Wilden Tabak: Er besitzt kein Nervensystem, keine Organe und dennoch ist er zu komplexen Verhalten fähig. Sie ist nicht nur raffiniert, sondern intelligent! Denn der wilde Tabak kann spezielle Lockstoffe bilden, die z.B. die räuberische Wanzen anlocken. Diese fressen wiederum die Raupen der Tabakschwärmer. Sind zu wenig Raubwanzen in der Nähe kann der Wilde Tabak Verdauungshemmer produzieren. Den Raupen liegt ihr Futter dann schwer im Magen. Der Pflanzenphysiologen Rayko Halitschke vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie spricht von „komplexen Reaktionen“, die die Pflanze im Laufe der Evolution entwickelt hat, um zu überleben.

Im Jahr 2013 entdeckten Forscher der Universität von Bristol unter Professor Daniel Robert, dass Blumen negativ und Hummeln positiv geladen sind. Wenn eine Biene auf der Blume landet, wird ein elektrisches Feld erzeugt. Die Forscher nehmen an, dass sich die Blume dadurch in das Gedächtnis der Biene einprägt. Sie wird ermutigt, zu ihr zurückzukehren. Von Fischen wie Haien oder Rochen weiß man schon lange, dass sie Elektrizität benutzen um Beutetiere aufzuspüren. Bei Pflanzen war diese Erkenntnis hingegen neu. Einfach raffiniert!

Die offene Blüte der Nachtkerze lockt nach Sonnenuntergang allerlei Insekten an

„Da stechen dann die nektarreichen Blüten aus der Wiese heraus, wie kleine Leuchttürme, oder so als hätten sie ein Neonschild, auf dem „geöffnet“ steht. Blüten die gerade Besuch von anderen Insekten hatten, und somit leer sind, würden ihr Schild ausknipsen, bis sie wieder für Nachschub gesorgt haben!“

Daniel Robert, Forscher der Universität Bristol.

Auf welche Art und Weise die Bienen die schwachen elektrischen Felder der Blüten wahrnehmen, ist den Forschern noch unklar. Es wird davon ausgegangen, dass sich die haarigen Hummeln unter der elektrostatischen Kraft aufsträuben.

Pflanzen stehen im Austausch miteinander

Die kanadische Forstwissenschaftlerin Suzanne Simard von der Universität British Columbia hat als erste nachgewiesen, dass Bäume in einem Wald über eine Art Netzwerk miteinander verbunden sind. Fehlen einem Baum Nährstoffe, versorgen ihn die anderen Bäume über das Wurzelnetzwerk. Grundlage sei der ständige Austausch der Bäume mit Pilzen, die über ein feines Wurzelgeflecht miteinander verbunden sind. Forscher schätzen, dass bis zu 90 Prozent aller Landpflanzen in Symbiose mit solchen Pilzen leben, zumindest aber die Voraussetzungen dafür erfüllen. 

František Baluška, Professor am Institut für Zelluläre und Molekulare Botanik an der Uni Bonn, glaubt, dass Pflanzen Entscheidungen treffen und ein Gedächtnis besitzen. In seinen Untersuchungen hat er feststellen können, dass Pflanzen ständig Informationen aus der Umwelt sammeln und sich anpassen.

Die Bäume kommunizieren über ihr Wurzelwerk

„Natürlich haben Pflanzen kein Gehirn, aber eine Art Wahrnehmungszentrum sei in Wurzeln schon zu finden.“

František Baluška, Professor für Molekulare Biologie der Universität Bonn

Ein bemerkenswertes Beispiel hierfür ist die Akazie aus Afrika. Wird eine Akazie von einem Tier angeknabbert so produziert sie mehr Tannin, einen giftigen Bitterstoff in den Blättern. Zudem stößt sie ein geruchsfreies, süßliches Gift aus. Über den Wind gelangt dieser Stoff zu den umliegenden Bäumen, die daraufhin ebenfalls Gift produzieren. Mit diesem Abwehrsystem schützt sich die Pflanze vor zu gefräßigen Tieren.

Dass die Pflanzen reagieren und sich anpassen können, liegt aber auch daran, dass sie, wie Baluška betont hat, Information speichern können. Und das ist besonders bemerkenswert.



Quellen & Literatur:

Baluška, František, Stefano Mancuso, und Dieter Volkmann, eds. 2006. Communication in Plants. Neuronal Aspects of Plant Life. Berlin/Heidelberg: Springer

Charles Darwin: The Power of Movements in Plants, John Murry, London, 1880, S. 573.

Dörte Saße, Wissenschaft Aktuell: Bienchen, Blümchen und elektrische Felder, https://www.wissenschaft-aktuell.de/artikel/Bienchen__Bluemchen_und_elektrische_Felder1771015588975.html, 22.02.2013

Der Standard: Blumen und Hummeln kommunizieren mithilfe elektrischer Felder, https://www.derstandard.de/story/2000066377932/blumen-und-hummeln-kommunizieren-mithilfe-elektrischen-felder, 28.10.2017

Der wilde Tabak – Planet Wissen, 25.03.2021 https://www1.wdr.de/mediathek/video-der-wilde-tabak-100.html

Janosch Deeg. Spektrum. Unterschätzte Botanik: Die vernetzte Welt der Pflanzen, 03.11.2018 https://www.spektrum.de/news/die-vernetzte-welt-der-pflanzen/1598658

Magdalena Hamm. Süddeutsche Zeitung: Botanische Forschung: Sind Pflanzen intelligent?18.05.2015 https://www.sueddeutsche.de/wissen/botanik-bluetenzauber-1.2479997

Michael Lange. Deutschlandfunk: Stefano Mancuso – Die Pflanzen und ihre Rechte, 22.02.2021 https://www.deutschlandfunkkultur.de/stefano-mancuso-die-pflanzen-und-ihre-rechte-das.1270.de.html?dram:article_id=492785

Susanne Billig & Petra Geist. Deutschlandfunk: Wie botanische Gewächse unterirdisch miteinander kommunizieren, 21.02.2010 https://www.deutschlandfunkkultur.de/die-intelligenz-der-pflanzen.1067.de.html?dram:article_id=175600

SWR Fernsehen: Intelligente Pflanzen – Quicklebendig und ganz schön raffiniert, 25.02.2021 https://www.planet-wissen.de/sendungen/sendung-intelligente-pflanzen-100.html

Trewavas, Anthony. 2014. Plant Behaviour and Intelligence. Oxford: Oxford University Press

Wikipedia: Pflanzenneurobiologie (Abgerufen am 28.03.2021) https://de.wikipedia.org/wiki/Pflanzenneurobiologie

Peter Meredith, Australien Geograhpic: Are plants talking to each other? June 15, 2015 https://www.australiangeographic.com.au/topics/science-environment/2015/06/the-secret-language-of-plants-2/

Urban Gardening

Kleine grüne Biotope inmitten der Stadt. Urban Gardening beschreibt nichts anderes als das Gärtnern von kleinräumigen Flächen inmitten des Stadtgebietes. Alles rund um das Gärtnern in München und Berlin findest du hier: